Gedankenmacher: Friedrich Merz - wo sind Kraft und Mut geblieben?
Die neue Koalition aus CDU, SPD und CSU taumelt ohne Inspiration, Mut und Power dahin. Haben die Protagonisten die Kraft, das Land aus der Krise zu führen?
Die CDU stand mal für Ideen, Werte, Mut und Tatkraft. Ohne diese Eigenschaften hätten es die Bürger Westdeutschlands nicht geschafft, das Land nach dem Weltkrieg wieder aufzubauen, 12 Millionen Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten zu integrieren und ein wertvoller Partner der NATO und der EWG zu werden. Ohne diese Eigenschaften gäbe es nicht das fortschrittliche Modell einer Sozialen Marktwirtschaft und viele gesellschaftliche Errungenschaften, auf die die Bürger der Bonner Republik stolz sein konnten. Ohne diese Eigenschaften gäbe es keine deutsche Einheit, kein europäisches Parlament, keine europäische Freizügigkeit, keine europäische Währung. Unvergessen ist, dass die Partei, die sich immer so sehr ihres Patriotismus rühmt, so sehr gegen die Vereinigung der DDR und der Bundesrepublik Deutschland war, dass die SPD unter Oskar Lafontaine die Bundestagswahl 1990 krachend verlor.
Unter Angela Merkel wurde die CDU von der Kraft- und Mut-Partei zur pragmatischen Machterhaltungsmaschine. Gab es Krisen, wurde der Tresor geöffnet und das Problemfeld solange mit Geld zugeschüttet, bis die Ruhe wieder einkehrte. Leider vergaß Frau Merkel, die die Krise auslösenden Probleme zu lösen, Reformen einzuleiten und Strukturen zu verändern. Dafür hätte es ja wieder Ideen, Mut und Kraft gebraucht, über die die Bundeskanzlerin a.D. wohl nicht so reichlich verfügte, wie über das Geld der Steuerzahler.
Friedrich Merz als ihr Nachfolger als Vorsitzender der CDU Deutschlands wollte alles besser als Frau Merkel machen. Und tatsächlich: das Grundsatzprogramm der CDU liest sich gut, das Wahlprogramm 2025 liest sich gut, die vollmundigen Ankündigungen vor der Wahl hörten sich gut an. Die Hoffnung auf den von Merz versprochenen Politikwechsel keimte auf.
Dann kam der Koalitionsvertrag.
Gedankenmacher im DNEWS24Podcast
Nach Aussage des Mannes, der wahrscheinlich in den ersten Tagen des Mai 2025 vom 21. Deutschen Bundestag zum 10. Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt werden wird, muss Deutschland vor allem zwei Probleme lösen: 1. Deutschland muss wehrhaft werden und 2. Deutschland muss wieder eine starke Wirtschaft bekommen.
Symptomatisch für das halbgare Vorgehen des CDU-Vorsitzenden ist, dass er für das erste Problem, die mangelnde Wehrhaftigkeit, zwar Schulden in Höhe von 500 Milliarden Euro aufnehmen lässt. Er kann aber nicht sagen, wie das Geld verwendet werden soll, er kann nicht sagen, in welchen Strukturen die Bundeswehr eingebettet sein soll, falls die NATO in der Amtszeit des US-Präsidenten Donald Trump zerfällt. Und vor allem: er kann nicht sagen, wo die benötigten zusätzlichen 35.000 Soldaten herkommen sollen, die die Bundeswehr dringend braucht.
„Wir müssen die Wehrpflicht wieder einführen in einer aufwachsenden Form. Diese Sache mit der Freiwilligkeit, dass die SPD das reingeschrieben hat, da musste ich mich erst mal ärztlich versorgen lassen, als ich das sah. .. Ich dachte: Jetzt ist die SPD offenbar ein Sicherheitsrisiko! Da fehlt mir jedes Verständnis. Dieser Vorschlag geht hinter Boris Pistorius‘ Vorschlag zurück und er saß im Verhandlungsteam. Da sieht man, wie die SPD tickt.“
Militärhistoriker Professor Sönke Neitzel in der TV-Sendung „ntv Salon“.
Friedrich Merz handelt wie einst Angela Merkel: viel Geld ausgeben, der Rest wird schon irgendwie werden. Das hat damals nicht funktioniert, warum sollte es dann heute funktionieren?
Die Wirtschaft – das 2. Problem – leidet unter vielem: Bürokratie, mangelnde Produktivität, hohe Energiekosten, Trump-Zölle. Vor allem leidet die Wirtschaft unter Fachkräftemangel, wie die ganze Gesellschaft nur unzureichend auf die Herausforderungen des demografischen Wandels vorbereitet ist.
Vor mehr als 20 Jahren hatte Friedrich Merz den Mut, das Steuersystem revolutionieren zu wollen. Sein Bierdeckel-Coup hätte das Leben der Bürger klarer und einfacher gemacht. Das unentwirrbare, undurchschaubare und daher von vielen Bürgern als belastend und ungerecht empfundene Steuersystem wäre radikal vereinfacht worden. Dieser Mut fehlt Friedrich Merz heute. Er hat weder Mut noch Kraft den Bürgern zu sagen, dass Deutschland nicht länger auf eine grundlegende Reform der Lebensarbeitszeit und der Altersvorsorge warten kann. Mal wieder, wie schon so oft unter Angela Merkel, werden nur kleine Stellschrauben gedreht, die den mathematisch unweigerlichen Crash des gesetzlichen Rentensystems kaschieren und weiter verzögern, aber nicht verhindern. Friedrich Merz und seine Koalitionäre weigern sich, den Bürgern die Wahrheit zu sagen, Lösungen aufzuzeigen und diese dann umzusetzen. Stattdessen soll, mal wieder – wie zu Merkels und Scholz‘ Zeiten – eine Kommission Reformvorschläge erarbeiten, die dann aber erst in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden sollen – wenn überhaupt. Merz & Co. versündigen sich damit an der Zukunft der jungen Generation und wahrscheinlich auch am wohlverdienten Lebensabend der Rentner.
Die Aktienrente der Ampel-FDP ist passé. Stattdessen soll der Staat ab dem 1. Januar 2026 jedem Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr 10 Euro im Monat spendieren. Dieses Geld wird in ein Altersvorsorgedepot eingezahlt – also in Aktien, ETFs oder andere Wertpapiere investiert. „Der in dieser Zeit angesparte Betrag kann anschließend ab dem 18. Lebensjahr bis zum Renteneintritt durch private Einzahlungen bis zu einem jährlichen Höchstbetrag weiter bespart werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Erträge aus dem Depot sollen bis zum Renteneintritt steuerfrei sein. Der Staat soll auf das Guthaben nicht zugreifen können und zahlt es erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze aus. Unterstellt, die monatlichen 10 Euro werden in einen ETF-Sparplan auf den Aktienindex MSCI World angelegt, kämen bei einer angenommenen Rendite von durchschnittlich 6 Prozent pro Jahr bis zum 18. Geburtstag rund 2.330 Euro zusammen – bei einer Einzahlungssumme von 1.560 Euro. Lässt man den Sparplan in derselben Höhe – also ohne weitere eigene Einzahlungen – bis zum Rentenalter von 67 Jahren weiterlaufen, kommt man bei einem Endkapital von gut 70.000 Euro heraus. Wohlgemerkt: nach den Plänen der SchRoKo soll jedes Kind künftig 1.560 Euro vom Staat geschenkt bekommen. So dürfen Beitragszahler künftig also nicht nur für eine rasant steigende Zahl von Rentnern im Umlageverfahren zahlen, sie zahlen als Steuerzahler auch für Kinder, die nichts zur Rentenkasse beitragen und bei denen gar nicht klar ist, ob sie dieses Rentenstartkapital überhaupt benötigen.
Eine tiefgreifende Reform der Alterssicherung ist nicht trivial. Natürlich würden sich AfD und Linke die Gelegenheit nicht entgehen lassen, kräftig zu polemisieren. Wie das ablaufen kann, haben wir 2022 in Frankreich gesehen. Was ein mutiger Politiker bewirken kann, haben wir aber auch in Frankreich gesehen.
Friedrich Merz hat diesen Mut nicht oder nicht mehr. Deswegen gibt es auch keinen Politikwechsel. Weder in Sachen Demografie, noch in anderen Bereichen. Es gibt kleine Retuschen hier, kleine Änderungen da. Der Koalitionsvertrag ist kein großer Wurf, der unser Land für die nächsten 20 Jahre fit macht. Das ist Politik-Klein-Klein. Hoffen wir das Beste, dass Merz wenigstens das kann.
Unser Land hat nicht mehr viel Zeit.
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