Buchtipp: Best Workspaces 2025
Das Buch des Callwey-Verlages bietet einen Überblick über ausgezeichnete Arbeitswelten und Bürobauten.
Natürlich gilt irgendwie: Arbeit ist das halbe Leben. Man kann dieses berühmte deutsche Sprichwort aber aus zweierlei Perspektive lesen. Kinder, die von ihren Großeltern wohlmeinend damit konfrontiert werden, verstehen es meist sehr direkt, also mathematisch: Die angenehme Hälfte stellen Spielen, Lesen, Filme Schauen, Essen und Schlafen, und die andere Hälfte ist „Arbeit“, etwa in der Schule oder im Musikunterricht. Wer sich dieser Rechnung mit etwas echter Arbeitserfahrung im Erwachsenenleben erneut zuwendet, wird die Komponenten eventuell anders anordnen – allerdings nur, wenn es ihm vergönnt ist, seinen Lebensunterhalt nicht in achtstündiger Fließbandarbeit, sondern mit einer selbstbestimmteren Tätigkeit zu verdienen. Hier nämlich verbinden sich die beruflichen Inhalte und Aufgaben, Prozesse und Orte mit der individuellen Lebenseinstellung, wenn auch in unter-schiedlicher Intensität, je nach Profession und Funktion. Philosophisch betrachtet wird dann deutlich, was mit der eingangs zitierten Weisheit letztlich gemeint ist, dass nämlich sich die Arbeit nicht vom Leben trennen lässt. Beides verschmilzt bereits allein durch die Notwendigkeit der meisten Menschen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Besonders bemerkenswert ist die Einsicht darin, wie sehr bei einer positiven Grundhaltung zur Arbeit sich diese mit dem Dasein auf natürliche Weise verbindet und damit weder als Belastung, Zwang oder gar Zumutung empfunden wird. Und so könnte man an dieser Stelle mit Konfuzius neu einleiten: „Wenn du liebst, was du tust, wirst du nie wieder in deinem Leben arbeiten.“
Vermutlich wird es demzufolge keine grundsätzliche Trennung zwischen Arbeiten und Leben mehr geben, was auch dazu beiträgt, die unsägliche Wortschöpfung „Work-Life-Balance“ aufzugeben. Diese trug in den letzten Jahren auf bedauerliche Weise dazu bei, eine Art Freizeitgesellschaft auszubilden, in der sich viele nicht mehr bewusst sind, dass irgendwer ja für die Freizeitler und Privatiers sorgen, also deren Bedarf an Energie, Infrastruktur, Lebensmittel und Sicherheit stillen sowie vor allem auch die Dienstleistungen im Freizeitangebot erzeugen muss. So etwas wie „konsumierende Freizeit“ existiert in der Natur nämlich nicht, lediglich Nichtstun als Erholung oder Energieeinsparung. Wie sehr aber letztlich das denkende, planende und produktive Tun den Menschen ausmacht, den Homo Faber, den tätigen Menschen, das werden viele bezeugen können, die einen großen Anteil ihrer Lebensfreude daraus schöpfen, dass sie anderen helfen, gute und für die Gemeinschaft wertvolle Produkte herstellen, für die unverzichtbare Sicherheit und Ordnung sorgen oder durch Forschung und Entwicklung den Fortschritt voranbringen. Arbeit ist damit nicht nur ein Aspekt der Leistungsethik, die bisher klischeehaft zu den deutschen Tugenden gezählt wurde. Man wird ihr vielmehr deutlich gerechter, wenn man sie in mindestens gleichbedeutender Weise auch als individuelle Äußerung, Identifikationsmittel und Instrument der Teilhabe versteht. Alle, die sich in einem intensiven Arbeitsprozess befinden, wissen, wie sehr sich mit ihm nicht nur gewinnbringende Weiterentwicklungen der eigenen Persönlichkeit, sondern auch Vernetzungen und Freundschaften verbinden können – eine „Work-Life-Fusion“ sozusagen. Die kluge Gestaltung des Arbeitsumfeldes und seiner individuellen Elemente bis hin zu den damit verbundenen menschlichen Kontakten tragen einen durch die maßgeblichen Jahrzehnte des Erwachsenseins.
Fundamental für ein Gelingen ist dabei natürlich die Leidenschaft, die im besten Falle alle Beteiligten verbindet, und hier ist dies wirklich ernst gemeint. Leider wird im Umfeld des Arbeitens zunehmend von „Job“ gesprochen, wobei dieser englische Begriff nichts mehr und nichts weniger als lediglich eine austauschbare Tätigkeit ohne hochwertigen Anspruch zur Generierung der Lebenshaltungskosten beschreibt, also „a low word“? Das deutsche Wort „Beruf“ schwingt auf ganz anderem Niveau, beinhaltet es doch eine dafür notwendige Qualifikation und die Identifikation mit dem produktiven Tun, bis hin zu einer daraus gewonnenen Haltung, einer Berufung. Vermutlich würden die meisten anspruchsvoll arbeitenden Menschen selbstverständlich davon ausgehen, dass es sich bei ihrem Engagement um ein tiefgehendes und umfassendes handelt. Das gilt für die an dieser Publikation beteiligten Auftraggeber, Unternehmen oder ihre Verwaltung sowie die planenden Architekten und zuletzt auch die Nutzenden der Workspaces. Deshalb erstaunt es auch nicht, dass viele Arbeitnehmer selbst bei einem guten Lohnausgleich auf eine Reduzierung der Arbeitszeit kaum verzichten würden. Sie scheinen Ihre Büros durchaus zu schätzen. Dies erklärte der Soziologe Hartmut Rosa in der Neuen Zürcher Zeitung unter dem griffigen Titel: „In der Arbeit finden wir die Welt.“
Diese Erfahrung macht jeder Werktätige, egal, ob man Geigen baut, Kinder erzieht, sich der Medizin widmet oder eben Architektur schafft. Sodass es letztlich nur dann eine gute „Work-Life-Fusion“ gibt, wenn man in den Stunden der Arbeit ganz in ihr aufgehen kann und individuell davon profitiert. Und daraus erwachsen für Beauftragende und Planer unmittelbar sowohl Aufforderung als auch Verantwortung, den Arbeitsplatz so zu formen, dass er nicht nur grundversorgt. Er soll darüber hinaus den dort Tätigen auch einen „Realisierungsraum“ anbieten, in dem diese nicht nur produzieren, sondern sich auch selbst verorten können. Der eben angesprochene Raum ist dabei zuerst ein architektonischer, da er ja gebaut, respektive gestaltet werden muss: Raum wird hier verstanden als Zusammenwirken von Fläche, Volumen, Material, Ergonomie, Licht, Klang, Stimmung, Blickbezügen, Stil etc., verbunden mit der notwendigen technischen Ausstattung. Selbstverständlich wäre in dieses komplexe Gefüge dann noch unsere emotionale Seite einzupassen. Es benötigt Atmosphäre, allerdings nicht die eines Wohnzimmers oder einer Hotellounge, denn wir haben es mit aktiven Workspaces zu tun. Doch selbst bei dieser spezifischen Zuspitzung wirkt immer noch ein breites Spektrum des Raumerlebens, das sich zwischen den Polen „Stress und Freiheit“ entwickelt, so könnte man mit einem Vortragstitel des Karlsruher Philosophen Peter Sloterdijk formulieren. Auf der einen Seite stehen die Interessen der Arbeitgeber und letztlich auch jedes engagierten Nutzers. Intensität und Herausforderung gehören ja zu den besten Elementen guter Leistung und sind deshalb als positiver Stress auch jedes Mal mit-zudenken. Die andere Extremposition sind die Entspannungs- und Rekreationsphasen, die heutzutage nicht nur die Arbeitspsychologie als unbedingtes Muss einer guten Arbeitswelt versteht. Hier sollte jedoch genau konzipiert werden. „Wenn man jungen Mitarbeitern Zugeständnisse macht, gehen die mit einer anderen Energie an die Arbeit …“ So wurde ein vermeintlich zeitgemäß denkender Geschäftsführer von der Tagesschau im April 2024 zu den Arbeitsvorstellungen der heranwachsenden Generation der Zwanzig- bis Dreißigjährigen zitiert. Wir würden hier einhaken und widersprechen, da es eben nicht um Zugeständnisse in Richtung privater Freizeit geht. Ein gut gestalteter Arbeitsplatz zeichnet sich gerade dadurch aus, dass eine solche Differenzierung gar nicht erst nötig wird. Seine Aufenthalts- und Aktionsqualitäten nämlich beinhalten auch die weichen Seiten der Arbeit: die kommunikativen, sozialen, unterhaltsamen, sportlichen, entspannenden, coolen.
Fakten zum Wettbewerb
Best Workspaces ist der erste internationale Architektur-Award für intelligente Arbeitswelten. Der Callwey Verlag versammelt mit seinen Partnern die besten von einer unab-hängigen Expertenjury beurteilten Workspace-Interiors und vernetzt Entscheider, Planer & Hersteller digital und live. Die Vision des Best Workspaces-Awards ist all jene Konzepte, die auch international Pionierarbeit leisten, auf einer Plattform zu vereinen.
Der Best Workspaces-Award wurde 2020 zum ersten Mal ausgelobt. 50 Büroprojekte haben die Jury durch ihr Design und innovativen Konzepten in den Kategorien Arbeitswelten und Bürobauten überzeugt. Im Buch sind sie ausführlich mit Texten, Plänen und Bildern dokumentiert. Die Jury vergab zwei erste Preise, drei Anerkennungen und 45 Auszeichnungen. Außer-dem einen Fotografiepreis sowie bei den Architects‘ Choice elf Auszeichnungen für die besten Lösungen.
Partner des Wettbewerbs sind das Center for Corporate Architecture and Spatial Identity (CASI), die Plattformen arcguide+, baunetz interior|design, md INTERIOR | DESIGN | ARCHI-TEKTURE und OFFICE DEALZZ sowie das Büromagazin OFFICE ROXX.