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Ausstellungstipp: Trees, Time, Architecture!

Design in constant Tranformation. Das Architekturmuseum der TUM in der Pinakothek der Moderne in München.

Bäume zählen zu den größten, ältesten und komplexesten Lebewesen der Erde. Sie wachsen langsam und benötigen oft Jahrzehnte bis Jahrhunderte, um ihre volle Größe zu erreichen. Damit sprengen sie die Maßstäbe des menschlichen Lebens und stehen mit ihrer Zeitlichkeit im Kontrast zu einem sich ständig beschleunigenden gesellschaftlichen, technologischen und ökologischen Wandel. Gleichzeitig brauchen wir Bäume heute mehr denn je, um Antworten auf den Klimawandel zu finden. Mit ihren großen Kronen tragen sie durch Schatten und Verdunstung wesentlich dazu bei, die Temperaturen in städtischen Hitzeinseln zu senken und die Lebensqualität einer wachsenden urbanen Bevölkerung zu erhalten. Aber auch Bäume sind zunehmend dem Klimawandel ausgesetzt, bedroht durch Trockenheit, Sturm, Hagel oder die Ausbreitung neuer Krankheiten

„Trees,Time, Architecture!“ untersucht die Potenziale und Widersprüche, die ein „Bauen auf Baum“ in der Architektur und Landschaftsarchitektur mit sich bringt. Erstmalig adressiert damit ein Ausstellungsprojekt den Themenkomplex: Baum – Zeit – Architektur aus einer ganzheitlichen, multidimensionalen Perspektive. Konkrete Projektbeispiele aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten und Klimazonen machen deutlich, dass ein grundlegender Paradigmenwechsel vom Entwerfen fertiger Objekte hin zum Gestalten von Prozessen erforderlich ist, um eine fruchtbare und langfristig tragfähige Beziehung zwischen Bäumen und Bauwerken zu etablieren.

Diese faszinierende Beziehung aufzuzeigen, ist das Ziel der Ausstellung – denn nur so können wir die Chancen erkennen und nutzen, um eine lebenswerte Zukunft für uns und einen Großteil der Tier- und Pflanzenarten zu gestalten. Dazu bedarf es transdisziplinärer Kooperationen, die wissenschaftliche Vorgehensweisen mit künstlerischen Praktiken, indigenem Wissen und neuen Technologien verbinden. Wie das aussehen kann, veranschaulichen unter anderem die Untersuchungen, Versuchsbauten und Experimente des Forschungsgebiets Baubotanik der Technischen Universität München.

Thematisch und räumlich ist die Ausstellung entlang der drei Überschriften „A: Baum, Zeit und Mensch“, „B: Baum und Architektur“ und „C: Baum als Architektur“ gegliedert. Mit der Installation Baumlager bespielt „Trees, Time, Architecture!“ neben den drei Ausstellungräumen auch den Raum vor dem Haupteingang der Pinakothek der Moderne. 22 fünf Meter hohe Hainbuchen werden in einem Hochregallager präsentiert und veranschaulichen so das Spannungsfeld zwischen der Langsamkeit des Baumwachstums und der unmittelbaren Verfügbarkeit des Baums als Handelsware.

A: Baum, Zeit und Mensch

Die Geschichte der Menschheit ist von Anfang an durch ein komplexes Verhältnis zu Bäumen geprägt: Schon früh in der Entwicklung nutzten Menschen Bäume für den Bau ihrer ersten Behausungen und in vielen Kulturen verehrte sie diese sogar als Götter. Aber Menschen zerstörten bereits vor Jahrhunderten riesige Waldgebiete, um Ackerland, Baumaterial und Brennstoff zu gewinnen.

Bäume sind also als ein mehrdimensionales Phänomen zu betrachten: Neben den spezifischen räumlichen und zeitlichen Perspektiven besitzen sie u.a. auch ökologische, gesellschaftlich-kulturelle, ästhetische und politische Dimensionen. Angesichts der Klimakrise rückt die zentrale Rolle von Bäumen im globalen Kohlenstoffkreislauf in den Fokus.

Eine Abbildung veranschaulicht dies in unterschiedlichen Zeitdimensionen: Vor rund 300 Millionen Jahren, im Karbon-Zeitalter, begann die erste „Hochphase der Bäume“. Die Überreste riesiger Wälder verwandelten sich über Jahrmillionen hinweg in Kohle, wodurch der Atmosphäre große Mengen CO2 entzogen wurden. Bis zur industriellen Revolution, also etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts, blieb die CO2-Konzentration in der Atmosphäre dann relativ stabil, doch mit dem Wachstum der Städte und der damit verbundenen Produktion moderner Baustoffe stieg die Menge des Treibhausgases dramatisch an. Energieintensive Prozesse wie die Herstellung von Baustahl und die Produktion von Zement als Grundlage von Beton, setzten u.a. durch das Verfeuern von Kohle enorme Menge an CO2 frei – mit den bekannten Folgen für das globale Klima.

Die drängendsten Fragen unserer Zeit sind daher: Inwiefern lässt sich diese Entwicklung aufhalten oder vielleicht sogar umkehren? Können Bäume dabei helfen? Wie können sie genutzt werden, um mit ihnen – als lebende Organismen und Baumaterialien – unsere Umwelt sozial und ökologisch gerecht zu gestalten?

B: Baum und Architektur

Wie lässt sich unsere Lebenswelt mit Bäumen gestalten? In welchem Verhältnis stehen Bäume als lebende Organismen zur gebauten Umwelt? Wie lassen sich Wachstum, Leben und Tod von Bäumen in Bezug setzen zu Entstehung, Nutzung, Instandhaltung und Verfall von Bauwerken?

30 ausgewählte Entwurfsprojekte, historische Beispiele und Forschungsarbeiten geben mögliche Antworten auf diese Fragen. Entlang der Themenfelder „Baum im Freiraum“, „Baum zwischen Architektur“, „Baum auf Architektur“, „Baum in Architektur“ und „Baum neben Architektur“ machen sie deutlich, welchen Beitrag Bäume zur Verbesserung des Mikroklimas, zur Steigerung der Artenvielfalt und zur alltäglichen Naturerfahrung leisten können.

Dabei werden zwei konzeptionelle Zugänge erkennbar. Zum einen wird der Baum als „Objekt der Natur“ verstanden. Der Fokus liegt dann meist auf einem ausgewählten Lebensabschnitt beziehungsweise Zustand – dem voll entwickelten und gesunden Baum, der spezifische Funktionen erfüllt oder aufgrund seiner sinnlichen Qualitäten geschätzt wird. Zum anderen sind Ansätze zu nennen, bei denen der gesamten Lebenszyklus – vom Keimen eines jungen Baumes, über das Wachsen und Absterben – die Grundlage der Gestaltung darstellt.

Im Hinblick auf eine sozial und ökologisch gerechte (Landschafts-)Architektur, gilt es, die Vor- und Nachteile dieser Ansätze zu vergleichen und gleichzeitig die angeführten Argumente kritisch zu prüfen: Sind die angepriesenen ökologischen und klimatischen Vorteile realistisch oder wird lediglich ein grünes Bild erzeugt? Wann können die erhofften Effekte tatsächlich eintreten, und welche Voraussetzungen sind dafür zu schaffen? Antworten auf diese Fragen sind nicht immer leicht zu finden, doch sie helfen, die vielfältigen Potenziale von Bäumen gezielt und verantwortungsvoll zu nutzen.

C: Baum als Architektur

Kann man Architektur unmittelbar mit und aus lebenden Bäumen bauen – oder wachsen lassen? Können wir uns Bauwerke als Lebewesen vorstellen, die sich fortwährend weiterentwickeln und sogar selbst reparieren können? Lässt sich Architektur als Ökosystem mit positiven Umweltwirkungen denken?

Für diesen Ansatz steht die Baubotanik, eine Form der (Landschafts-)Architektur, die durch das Zusammenspiel von technischem Fügen und pflanzlichem Wachsen entsteht. Hierzu werden Bäume gezielt in ihrem Wachstum beeinflusst, miteinander verbunden und mit nicht-lebenden Bauelementen verbunden, sodass sie zu einer pflanzlich-technische Einheit verschmelzen.

Der Begriff „Baubotanik“ wurde 2007 am Institut Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGMA) der Universität Stuttgart geprägt. Seit 2017 ist das Forschungsfeld an der Professur für Green Technologies in Landscape Architecture (gtla*) der Technischen Universität München angesiedelt – in enger Kooperation mit dem Office for Living Architecture (OLA). Die interdisziplinäre Forschung und Praxis der Baubotanik baut auf den Wissensgebieten der Botanik, der Ingenieurbiologie, der Arboristik und der Forstwissenschaft auf und verbindet dabei u.a. Erkenntnisse des 1985 von Frei Otto initiierten Sonderforschungsbereichs „Natürliche Konstruktionen“ mit Aspekten der Gartenkultur.

In der Baubotanik wird die Natur für menschliche Zwecke umprogrammiert – doch das Wachstum von Bäumen ist stets an Faktoren geknüpft, die sich nur bedingt kontrollieren lassen. Diese grundlegende Erkenntnis bildet die Basis für wachsende Baum-Architekturen – doch es braucht Zeit. Daher mag die Idee, mit lebenden Bäumen nutzbare Bauten zu erschaffen, zunächst utopisch klingen. Jahrhunderte alte Beispiele belegen jedoch, dass es möglich ist – und aktuelle Projekte eröffnen Perspektiven für die Zukunft.

Beteiligte Künstler, Architekten und Wissenschaftler

atelier le balto, Bauchplan ).(, Bernard Rudofsky, Carlo Ratti, CRA, Casagrande Laboratory,Th. Sørensen, Conceptual Joining, University of Applied Arts Vienna, Duncan Lewis Scape Architecture, Francis Hallé, Frei Otto, Atelier Frei Otto Warmbronn, Friedensreich Hundertwasser, Gilles Clément, GOA Architecture, Grüntuch Ernst Architekten, Ilkka Halso, Ines Dantas, Laura Leonelli, Living Bridge Foundation, Maison Edouard François, Marco Pisano, Mark Primak, OLA – Office for Living Architecture, Ot Hoffmann, Salomé Jashi, SITE, James Wines, Sou Fujimoto, Spacetime Architects, Stefano Boeri Architetti, Suzuko Yamada Architects, Sverre Fehn, Terreform One, Walter und Marion Griffin, White Arkitekter, Wilfrid Middleton.

Das Museum

Pinakothek der Moderne
Barer Straße 40
80333 München

Öffnungszeiten

Täglich 10 – 18 Uhr
Donnerstag 10 – 20 Uhr
Montags geschlossen

Ticketpreise

10,00 Euro

Mehr Informationen

pinakothek-der-moderne.de.

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Bildnachweis: Pinakothek der Moderne © DNEWS24

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