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Ausstellungstipp: Maurice de Vlaminck. Rebell der Moderne. Museum Barberini

Ungemischte Farben, ungestümer Pinselstrich, abstrahierte Formensprache: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schockierte eine Künstlergruppe das Publikum mit einer Malerei, die sich auf radikale Weise von bisherigen künstlerischen Konventionen abwandte. Als „fauves“, als „Wilde“ bezeichnet, traten die Künstler den Weg in die Moderne an – allen voran Maurice de Vlaminck (1876–1958).

Zunächst als Vorreiter eines französischen Expressionismus gefeiert, liegt die letzte Retrospektive des Künstlers in Deutschland fast 100 Jahre zurück.

Die Ausstellung Maurice de Vlaminck. Rebell der Moderne gibt nun erstmals seit 1929 einen Überblick über Vlamincks gesamtes Werk, wobei der Akzent auf der produktiven Schaffenszeit vor dem Ersten Weltkrieg liegt, ergänzt durch eine Auswahl später Arbeiten. Ausgangspunkt der Ausstellung mit 73 Werken, die in Kooperation mit dem Von der Heydt-Museum Wuppertal entstand, sind die neun Gemälde Vlamincks in der Sammlung Hasso Plattner, die von Leihgaben aus unter anderem der Tate Modern in London, dem Museo nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid, dem Centre Pompidou und dem Musée d’Orsay in Paris, dem Van Gogh Museum in Amsterdam, dem Museum Folkwang in Essen, der Staatsgalerie Stuttgart sowie dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Dallas Museum of Art und der National Gallery of Art in Washington ergänzt werden.

Die erste Avantgarde-Strömung des 20. Jahrhunderts

Seit 1903 bot der Pariser Salon d’Automne französischen und internationalen Künstlern eine Plattform, um ihre Kunst entgegen der konservativen Politik des Salon de Paris zu präsentieren. 1905 traten dort erstmals junge, unbekannte Künstler in Erscheinung, die durch den Kritiker Louis Vauxcelles als „fauves“ bezeichnet wurden: Henri Matisse, André Derain, Kees van Dongen – und Maurice de Vlaminck. Mit ihren farbgewaltigen, ganz auf Ausdruck und Emotion ausgerichteten Werken begründeten sie den Fauvismus als erste Avantgarde-Strömung des 20. Jahrhunderts. Obwohl als Kollektiv wahrgenommen, einte die Künstler kein Manifest; dennoch verband sie die Ablehnung aller bisheriger Kunstauffassungen und das Bekenntnis zur völligen Freiheit des Künstlers. Maurice de Vlaminck inszenierte sich als ungestümer junger Künstler. Der Autodidakt ohne akademische künstlerische Ausbildung pflegte das Selbstbild als „Wilder“, dessen Werk von Expressivität geprägt war. Bereits 1905 erwarb der Kunsthändler Ambroise Vollard den Großteil von Vlamincks Atelier-Bestand und ermöglichte ihm somit die professionelle Künstler-Laufbahn.

Ein Autodidakt als Pionier

Zur Kunst fand Maurice de Vlaminck durch eine Zufallsbegegnung mit André Derain, der den Geiger, Radrennfahrer, Boxer und Autor Vlaminck zur Malerei ermutigte. Beeinflusst durch Vincent van Gogh, ist bezeichnendes Charakteristikum für Vlamincks fauvistisches Schaffen die Aufwertung der Farbe, die ihm als Mittel heftigen Ausdrucks dient. Wie die Impressionisten faszinierten Vlaminck die Landschaften entlang der Seine, die er mit pastosem Farbauftrag und grellen Farbtönen festhält. In seinem Auftrag reiner, ungemischter Farben, teilweise direkt aus der Tube auf die Leinwand gebracht, folgt Vlaminck seinem Vorbild Van Gogh. Vlaminck entwickelt in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg einen Expressionismus, der an Werke der Dresdener Künstlergruppe Die Brücke erinnert. Ab 1906 weicht die explosive Farbigkeit gedämpfteren, dunkleren Tönen und Paul Cézanne tritt als Inspirationsquelle an die Stelle Van Goghs.

Auseinandersetzung im Sammlungskontext

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ist Maurice de Vlaminck international stark rezipiert: 1912 nimmt er mit sechs Werken an der Ausstellung des Kölner Sonderbunds teil, im selben Jahr zeigt ihn Herwarth Walden in seiner Berliner Galerie Der Sturm; im Jahr darauf ist er in der New Yorker Armory-Show vertreten. Auch das Von der Heydt-Museum Wuppertal, Kooperationspartner der Ausstellung Maurice de Vlaminck. Rebell der Moderne, nimmt Vlaminck bereits früh in seine Sammlung auf.

Spätes Schaffen und propagandistische Kollaboration

Auch wenn der Erste Weltkrieg für Vlaminck eine persönliche Desillusionierung und für sein Schaffen eine Zäsur darstellte, verlor seine Malerei in den Zwischenkriegsjahren nicht an Faszination für seine Zeitgenossen. 1919 richtete ihm die Pariser Galerie Druet eine Einzelausstellung aus; 1929 veranstaltete die Düsseldorfer Galerie Alfred Flechtheim seine erste und bislang einzige umfassende Einzelausstellung in Deutschland.

Im Zuge nationalsozialistischer Kulturpolitik nach 1933 wurde auch das Werk Maurice de Vlamincks als „entartet“ verfemt und aus dem Bestand deutscher Museen entfernt. Dennoch, und trotz deutlicher Distanzierung in jüngeren Jahren von Militarismus und Nationalismus, trat er im November 1941 auf Einladung der deutschen Propagandastaffel eine Reise nach Deutschland an. Im Anschluss veröffentlichte er zwei Artikel, in denen er die nationalsozialistische Kunst- und Kulturpolitik unverhohlen anpries. In einem weiteren Text polemisierte er gegen die Avantgarde in Frankreich, wie sie sich in der Malerei Picassos manifestiere. Er ließ sich von Arno Breker, Adolf Hitlers erklärtem Lieblingskünstler, portraitieren und engagierte sich in einem Komitee für dessen 1942 in Paris gezeigte Ausstellung. Der frühere Künstler-Rebell, der sich als Anarchist und Revolutionär verstand, wurde zum reaktionären Polemiker, einem Ankläger der Moderne.

Wohl auch bedingt durch seine politischen Verlautbarungen ist das Spätwerk Vlamincks kaum erforscht. Düstere, bedrohliche Landschaften jenseits aller avantgardistischen Strömungen dominieren das späte Schaffen des Künstlers, der 1955 an der documenta I teilnahm und im selben Jahr durch die Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique als assoziiertes Mitglied aufgenommen wurde. Das Spätwerk bildet das letzte Ausstellungskapitel der Potsdamer Schau. Auch wenn der Fokus auf Vlamincks fauvistischem Frühwerk liegt, macht die Ausstellung damit auch auf die Widersprüche in der Biographie des Künstlers aufmerksam.

Museum Barberini

Humboldtstraße 5–6
Alter Markt
14467 Potsdam

Öffnungszeiten

Mo, Mi–So: 10–19 Uhr
Dienstags geschlossen

Ticketpreise

  • Erwachsene 16 Euro

Mehr Informationen: museum-barberini.de.


Bilder: Museum Barberini © DNEWS24


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